Wie unabhängig ist die Verwaltung?
Stell Dir vor: In Deiner Kommune werden sämtliche Daten auf einer Cloud-Plattform gespeichert. Doch dann kommt es zu einem technischen Fehler und es sind keine Daten mehr verfügbar. Kein Zugriff auf Fachverfahren, Anfragen oder Termine. Nun heißt es warten, bis der Anbieter dieses Problem gelöst hat. Und Du kannst gar nichts tun. Das passiert, wenn man digital abhängig ist. Um solche und schlimmere Szenarien zu vermeiden, will Deutschland digitale Souveränität erreichen.
Was das genau bedeutet und wie dieser Status erreicht werden kann, erfährst Du in diesem Artikel.

Wie kann digitale Souveränität erreicht werden?
Definition: Was ist digitale Souveränität?
„Digitale Souveränität“ beschreibt „die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können“ cio.bund.de
Oft ist dies jedoch nicht der Fall: Viele Unternehmen, aber auch die Öffentliche Verwaltung geraten in die Abhängigkeit von Technologieanbietern und verlieren die Kontrolle über die eigene IT. Das kann unter anderem zu datenschutzrechtlichen Problemen führen.
Daher ist es wichtig, die digitale Souveränität der ÖV zu stärken und sie so handlungsfähig zu machen. Auf diese Weise sollen Daten durch zeitgemäß funktionale und vertrauenswürdige Technik geschützt werden, unter anderem durch die Schaffung von Alternativen und einem offenen Markt, der Innovationen unterstützen soll.
Europäische Initiative: Was genau ist Gaia-x?
Bereits im Jahr 2019 wurde mit Gaia-x eine europäische Initiative vorgestellt, ein Projekt mit dem Ziel der souveränen Dateninfrastruktur in Europa. Es sollte eine europäische Antwort auf die USA und China sein.
Dabei sollten Daten und Dienste gesammelt und zur Verfügung gestellt werden, die wiederum für neue Innovationen genutzt werden können. Angeregt wurde dieses Vorhaben vom ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und dem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire. Anfang 2022 begann die Umsetzung.
Ziele sind:
- digitale Souveränität (also digitale Unabhängigkeit)
- Interoperabilität (Systeme, die Daten sicher und automatisch austauschen können)
- Branchen Datenräume (digitale Umgebungen, in denen Daten sicher ausgetauscht und genutzt werden können)
Ist Gaia-X gescheitert?
Obwohl die Initiative nicht sehr bekannt ist, zeigen sich positive erste Entwicklungen. Mittlerweile engagieren sich über 250 Organisationen und Unternehmen in dem Projekt. Bis November sollen etwa 3.000 Cloud-Dienste angeboten werden können. Spannend bleibt, wie es weitergeht.
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Wie entsteht Abhängigkeit?
Die digitale Transformation ist in vollem Gange, doch oft fehlen die passenden Tools oder Schnittstellen. So entstehen Lücken in Systemen und Insellösungen. Häufig fehlt es an den passenden Lösungen.
Digitale Abhängigkeit entsteht vor allem, weil es bisher zu wenige europäische Alternativen auf dem Markt gibt. Anbieter aus den USA oder China sind oft überlegen und weiter verbreitet. Zum anderen ist oft Zeitdruck ein großes Problem: Unternehmen oder auch die Ämter und Behörden brauchen eine Lösung und haben nicht die Zeit oder das Personal, sich durch den Berg von Lösungen zu wühlen. Knappe Ressourcen sind ein generelles Problem, denn der Fachkräftemangel macht sich mittlerweile immer mehr in der IT-Branche bemerkbar.
Digitale Souveränität ist also wichtig, um Grundrechte und Datenschutz durchzusetzen, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen und auch die Demokratie zu schützen. Besonders wenn es um staatliche Institutionen geht, ist es wichtig, vertrauliche Daten zu schützen, wie vergangene Hacker-Angriffe gezeigt haben.
🤖 Hackerangriff auf den Bundestag
Im Jahr 2015 wurde der Deutsche Bundestag Ziel eines russischen Hacker-Angriffs. Dabei wurde sich über E-Mails Zugang zu sensiblen Daten von Bundesabgeordneten verschafft. Über Wochen konnten unbemerkt Daten gesammelt werden, was zur Folge hatte, dass das IT-System teilweise sogar neu aufgebaut werden musste.Digitale Souveränität hilft dabei, resilienter zu werden und eigene Sicherheitsstandards zu etablieren.
Cyberbedrohungen werden immer relevanter
Welche Dimensionen digitaler Souveränität gibt es?
Um digitale Souveränität umzusetzen braucht es jedoch mehr als digitale Lösungen, es muss ein Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen vorhanden sein:
- Staat: Der Staat sorgt für Sicherheit und den rechtlichen Rahmen, daher muss er handlungsfähig bleiben. Er ist unter anderem auch dafür zuständig, die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) umzusetzen.
- Unternehmen: Digitale Unabhängigkeit ist für sie im Wettbewerb überlebenswichtig, z.B. hinsichtlich Cyber-Attacken. Sie sollten zudem selbst entscheiden, wie Daten genutzt und gespeichert werden.
- Bürgerinnen und Bürger: Digitale Kompetenzen erleichtern die Teilhabe an digitalen Angeboten und sorgen dafür, dass diese mehr akzeptiert werden. Auf diese Weise können sie mitgestalten.
Wie kann digitale Souveränität geschaffen werden?
Es gibt bereits einige Projekte, die die digitale Unabhängigkeit unterstützen sollen. Zum einen gibt es den IT-Planungsrat, eine länderoffene Arbeitsgruppe, die unter anderem die AG Cloud Computing eingerichtet hat, die unter anderem Fachkräfte benennt und einbindet und nachhaltige Arbeitsstrukturen schafft.
Zum Anderen wurde das Zentrum für Digitale Souveränität ins Leben gerufen. Dieses soll als Kompetenz- und Servicezentrum fungieren und beispielsweise passende Open Source Software sicherstellen. Zudem soll das Zentrum eine Schnittstelle zwischen ÖV und IT-Anbietern sein.
Doch darüber hinaus braucht es noch weitere Faktoren:
- Know-how über digitale Technologien, also Software, Hardware, IT-Sicherheit, Tools und Co. Dafür werden Weiterbildungen gebraucht.
- Eine sichere und funktionierende IT-Infrastruktur
- Kooperation mit anderen Ländern, um sich über Lösungen auszutauschen
- Innovationsförderung durch einen offenen Markt und Subventionen
- Rechtliche Absicherung und staatliche Regulierungen
Gesetzliche Rahmenbedingungen als Treiber
Auch rechtliche Vorgaben des Staates sind ein zentraler Punkt: Das OZG 2.0 soll dafür sorgen, dass Verwaltungsdienstleistung medienbruchfrei und digital angeboten werden. Damit das allerdings funktioniert müssen sichere und interoperable Lösungen eingesetzt werden. Auch das Bürokratieentlastungsgesetz hat zum Ziel Verwaltungsprozesse zu vereinfachen und bürokratische Hürden abzubauen. Im Sinne der digitalen Souveränität lässt das nun mehr Platz für agile IT-Strukturen.
📚 Leseempfehlungen
Digitale Souveränität 2024 (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
👉 Dieser Report hält die Herausforderungen aus Sicht der Unternehmen fest. Diese lassen sich aber zum Teil auch auf die Öffentliche Verwaltung übertragen.Digitale Souveränität (Kompetenzzentrum Öffentliche IT)
👉 In diesem Papier geht es darum, was digitale Souveränität ausmacht und wie sie umgesetzt werden kann. Zudem gibt es wertvolle Handlungsempfehlungen.
Fazit: Digitale Selbstbestimmung macht zukunftsfähig
Digitale Unabhängigkeit ist das zentrale Ziel für eine stabile politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenarbeit. Denn nur wer Kontrolle über die eigene Infrastruktur und Daten hat, ist wirklich unabhängig und kann wichtige Entscheidungen treffen.
Das ist ein Ziel, das langfristige Investitionen und Planung bedarf. Dabei spielt der Staat eine zentrale Rolle, der Rahmenbedingungen für eine solche Entwicklung schaffen muss. Dazu zählen Geldmittel, aber auch die Motivation, neue Lösungen zu finden. So kann sich ein Staat, aber auch Ämter und Unternehmen vor Cyberbedrohungen schützen.