Fünf Fragen an Aleš Drábek

von | 04.02.2021

Ales Drabek im Interview mit factro

Experten teilen Ihr Know-How

Unsere Interview-Reihe „Fünf Fragen an“ geht heute in die nächste Runde. Hier stehen Experten zu den Themen „Collaboration“, „digitale Zusammenarbeit“ und „New Work“ Rede und Antwort mit Tipps, Erfahrungen und einem Blick in die Zukunft.

Heute im Gespräch: Aleš Drábek. Bis zum 31.12.2020 war Aleš als „Chief Disruption & Digital Officer“ (CDDO) der Digital-Chef bei Conrad Electronic und hat dort die digitale Transformation des fast 100 Jahre bestehenden Versandhändlers aus Hirschau auf allen Ebenen angeführt.

factro: Was sind für Dich die entscheidenden und unmittelbaren Mehrwerte digitaler Zusammenarbeit? Warum sollten Unternehmen und Organisationen dieses Thema besser sofort als später angehen?

Aleš Drábek: Bei Conrad Electronic haben wir schon 2016 begonnen, Cloud-basierte Tools für eine moderne Zusammenarbeit einzuführen. Dort konnten wir in den letzten Jahren von vielen Vorteilen profitieren:

Eine bessere cross-funktionale Arbeit – also raus aus den internen Silos. Mitarbeiter jeder „modernen“ Firma sitzen nicht nur an einem Standort. Deswegen ist es notwendig, digitale Tools zu haben, die die einzelnen Standorten und die Mitarbeiter im Homeoffice gut miteinander verbinden und Kollaboration erst ermöglichen.

Hinzu kommt ein schneller und einfacher Ausbau eines Partner-Ecosystems von Firmen. Gerade in einer Plattform-Welt ist es für jede Firma wichtig, Partner zu haben, mit denen kann man gut, effektiv und kostengünstig, d.h. ohne massive Reisetätigkeiten zusammenarbeiten kann.

Im Unternehmen selbst wird der Ausbau des digitalen Mindsets gefördert. Die tägliche Nutzung von modernen Tools für eine digitale Zusammenarbeit hilft jedem einzelnen Mitarbeiter, sein technisches Know-How aufzubauen bzw. zu erweitern. Dies kann dann auch bei anderen Arbeitsthemen verwendet werden. Wenn man für die interne Kommunikation Chats bzw. Chatbots nutzt, fällt es wesentlich leichter, eine solche Technologien auch für die Kundenkommunikation einzusetzen.

Außerdem profitiert man von erheblichen Kostenersparnissen und einem höheren Security Level. Gute cloud-basierte Plattformen setzen nicht nur den Grundstein für eine moderne digitale Zusammenarbeit, sondern sorgen – im Gegensatz zu einem Flickenteppich an On-Premise-Tools – für Einsparungen in der IT und gleichzeitig für höhere Sicherheitsstandards.

Und schließlich werden Unternehmen befähigt, schnelle und agile Reaktionen auf neue externe Herausforderungen zu zeigen. Das hat man vor allem beim Ausbruch von Covid-19 besonders gesehen. Und dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern, denn wir leben in einer sehr dynamischen Welt.

Hände an einem Laptop


factro: Wenn ich Teamarbeit digitalisieren möchte, komme ich an Tools und Apps nicht vorbei. Worauf muss ich bei der Auswahl der richtigen Lösungen besonders achten? Was ist nur Kosmetik?

Aleš Drábek: Ich glaube, wichtig ist eine Möglichkeit der schnellen Einführung im ganzen Unternehmen. Gerade in Projekten, die z.B. länger als ein Jahr dauern, kostet es sonst zu viel interne Energie, bis die Tools bei allen Mitarbeitern angekommen sind. Zudem ist eine gute Usability wichtig, damit am Ende jeder Kollege die Software nutzen kann. Das bedeutet auch Kompatibilität mit einer klaren Mobile First-Strategie. Die Plattform sollte also in erster Linie viele mögliche Use Cases der internen Teamarbeit abdecken.

Kosmetik sind hingegen kleine Preisunterschiede zwischen einzelne Tools, umfangreiche Trainingsmaterialien, zu viel Flexibilität, die Einbindung über die eigene IT oder die Möglichkeit einer On-Premise-Nutzung. Bei Conrad haben wir Google Workspace zusammen mit Atlassian Produkten und einem SSO von Google eingeführt, dabei haben uns genau diese Punkte überzeugt.


factro: Was ist Deiner Ansicht nach die größte Herausforderung bei der Einführung eines Collaboration Tools?

Aleš Drábek: Insbesondere ein zu starker Fokus auf den Preis der Software, um sich dann für den günstigen Anbieter zu entscheiden. Wenn man sich überlegt, dass mit solchen Tools fast alle Mitarbeiter des Unternehmens jeden Tag arbeiten, dann ist eine gute Plattform in der Lage, viel Geld durch erhöhte Produktivität einzusparen. Eine weitere Herausforderung ist die einfache Integration mit anderen Applikationen und der schnelle Ausbau neuer Features.

Des Weiteren ist zu große Vorsicht beim Rollout innerhalb aller Abteilungen und Länder eine Hürde. Es ist wichtig, am Anfang eine Gruppe von Teammitgliedern für den Pilotbetrieb als “Ambassadors” zu haben. Dann aber muss der Rollout sehr schnell gehen. Zu lange zwischen alten und neuen Systemen zu hängen, ist sehr ineffektiv, für Mitarbeiter nervig und nicht zuletzt finanziell spürbar.

Eine weitere Herausforderung ist die Notwendigkeit, für die Einführung von Tools einen Business Case zu haben. Ich glaube, das ist schwer, bevor man die einzelnen Tools einführt und die Kollegen damit richtige arbeiten. Erst dann lässt sich ein positiver Business Case vernünftig berechnen. Der Flickenteppich von veralteten Tools, die bei vielen Organisationen noch im Einsatz sind, kostet oft weniger als moderne Software. Ich kann mir vorstellen, dass sich bei diesem Schritt viele Unternehmen zu stark bremsen. Aber vielleicht hat sich das nach 2020 auch geändert.

Gruppe erarbeitet gemeinsam neue Inhalte


factro: Kein Tool ersetzt ein starkes Team. Wo stößt Software an Grenzen?

Aleš Drábek: Speziell bei Kreativ-Workshops und der Arbeit mit innovativen Ideen haben wir in Zeiten von COVID-19 Schwierigkeit bei reiner Online-Zusammenarbeit gesehen. Für solche Fälle sind sicher persönliche Workshops besser geeignet. Mit VR- und AR-Technologien kann sich aber auch das ändern.

Weiter kann man gutes Teambuilding nicht ersetzen, wie z.B. in der Natur oder in einem schönen Restaurant einen gemütlichen Abend mit dem Team verbringen. Ich arbeite seit 10 Jahren mit modernen Videokonferenzsystemen. Trotzdem habe ich nie meine Reisen (mit Ausnahme von 2020) auf null reduziert, weil ich davon überzeugt bin, dass es wichtig ist, sich mit den Kolleginnen und Kollegen ab und zu auch persönlich zu treffen.


factro: Was macht einen Digital Leader aus und welche Kompetenzen muss er/sie mitbringen oder entwickeln?

Aleš Drábek: Hier ist der richtige Mix von verschiedenen Skills entscheidend, die man schnell und agil entwickeln muss. In der VUCA-Welt (Anmerkung der Redaktion: „volatility“ („Volatilität“), „uncertainty“ („Unsicherheit“), „complexity“ („Komplexität“) und „ambiguity“ („Mehrdeutigkeit“)) ändert sich zudem die Wichtigkeit von einzelnen Skills regelmäßig. Wenn ich meine Top 3 Favoriten auswählen muss, dann sind das:

  • „develop an adaptive mindset“ – Die einzige Konstante in der aktuellen Welt ist die Veränderung. Und: Technologien haben eine exponentielle Entwicklung.
  • „have a vision“ – Und diese Vision gilt es immer wieder zu kommunizieren. Nur dann unterstützen Dich alle Mitarbeiter dabei, diese Vision auch umzusetzen.
  • „relentlessly focus on customers“ – In der digitalen Welt haben Kunden enorm an Stärke gewonnen. Gerade in Zeiten von globalen Plattformen gibt es immer genug Alternativen, zu denen Deine Kunden hingehen können, wenn sie mit Deinem Produkt, Deiner Leistung oder Deinen Services nicht zufrieden sind.

Über Aleš Drábek:

Aleš Drábek war bis zum 31.12.2020 als „Chief Disruption & Digital Officer“ (CDDO) der Digital-Chef bei Conrad Electronic und hat dort die digitale Transformation des fast 100 Jahre bestehenden Versandhändlers aus Hirschau auf allen Ebenen angeführt. Zuvor hat er beim Handelskonzern METRO sechs Jahre lang als „Director of Global Digital Channel“ die internationale Digitalstrategie verantwortet. Seine Karriere startete der studierte Informatiker bei großen Retailern – u.a. als Country Manager bei C&A und Managing Director bei Rossmann.

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Niels Kindl

Niels Kindl kennt Projektmanagement und Collaboration in allen Facetten. Seine langjährige Erfahrung und Leidenschaft für digitale Zusammenarbeit und Projektmanagement-Software teilt er gerne im factro Blog. Denn: Ein Tool allein löst noch keine Probleme!